Glass Industry News

Interview mit den Geschäftsführern

, Wiegand Glas

Gelebte Verantwortung

Die Diskussion um CO2-Emissionen oder Plastikabfälle prägt die öffentliche Meinung über die letzten Jahre, nachhaltige Verpackungskonzepte gewinnen an Bedeutung für unsere Kunden und die Themen Recycling und Kreislaufwirtschaft werden die Zukunft der Verpackungsindustrie maßgeblich mitgestalten.

Wir haben bei der Geschäftsführung nachgefragt, wie sie diese Entwicklung sehen und welche Herausforderungen und Trends in Zukunft auf uns zukommen. Außerdem wollten wir wissen, welchen Einfluss die Corona-Pandemie auf das Geschehen in der Branche und die Arbeitsweise in unserem Unternehmen hat.

Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit für Sie in Ihrer Position und für die Wiegand-Glas Unternehmensgruppe?

Nikolaus Wiegand: Nachhaltigkeit ist ein Thema, welches in unserer DNA schon sehr lange verankert ist. Bereits Anfang der 70er Jahre haben wir uns intensiv mit dem Gedanken, verstärkt Altglas als Sekundärrohstoff einzusetzen, befasst und installierten deshalb 1970 die erste hütteneigene Altglasaufbereitungsanlage in Steinbach am Wald. Auch im PET-Bereich betreiben wir seit 2020 eine eigene Recyclinganlage in Großbreitenbach, mit der wir eine ausgezeichnete Qualität und Reinheit des Rezyklats garantieren können. PET-Produkte stellen wir mittlerweile aus bis zu 100 % Rezyklat her.

Oliver Wiegand: Aber nicht nur in der Rohstoffaufbereitung, sondern auch in der Produktion unserer Glas- und PET-Produkte investieren wir sehr viel in modernste Technologie. Dazu zählen die Reinigung der Abgase durch fortschrittliche Filtersysteme, Nutzung der Restwärme zur Vorwärmung des Altglases und der Primärrohstoffe oder verschiedene Möglichkeiten der Energierückgewinnung. Dabei waren wir die erste Behälterglashütte in Europa, die Kerzenfilter eingesetzt hat, um effektiv NOx, SOx und Staub zu filtern. In der Branche gelten wir daher als weltweiter Benchmark zur effektiven Nutzung von Energie. In Zahlen ausgedrückt verbrauchen wir unter drei GigaJoule Energie pro geschmolzener Tonne Glas in unseren modernen Schmelzwannen, was weit unter dem Durchschnitt der Glasbranche liegt.

Was war Ihr persönliches Highlight im Jahr 2021?

N. Wiegand: Unser persönliches Highlight war, dass mit der Eco2Bottle erstmalig ein Konzept zur massiven Reduktion der CO2-Emissionen auf Produktseite realisiert werden konnte. Die verschiedenen Maßnahmen, wie etwa eine Gewichtsreduktion der Flasche, Verpackungsoptimierung, der Einsatz erneuerbarer Energien oder ein noch höherer Scherbeneinsatz, können auf jedes unserer Produkte individuell abgestimmt werden. In einem unserer Projekte im vergangenen Geschäftsjahr kam zum ersten Mal Biomethangas aus deutschen Siedlungsabfällen zum Schmelzen der Rohstoffe im Ofen zum Einsatz. Dieses zarte Pflänzlein muss jetzt in Zukunft weiter gehegt und gepflegt werden.

O. Wiegand: Weitergeben wollen wir mit diesem Konzept die Botschaft, dass es für nachhaltigen Erfolg immer eine Überzeugung braucht. Auch deshalb wurde die Marke Eco2Bottle ins Leben gerufen, die durch ihre Sichtbarkeit auf der Verpackung und einen eigenen Markenauftritt bis hin zum Konsumenten durchkommuniziert wird. Damit entstehen ein ganzheitlicher Blick und eine gemeinsame Überzeugung über die gesamte Wertschöpfungskette.

Das Jahr 2020/2021 war trotz der spürbaren Auswirkungen von Corona kein schlechtes Jahr für Wiegand-Glas. Woran liegt das und wie haben sich die verschiedenen Märkte entwickelt, in denen die Wiegand-Glas Unternehmensgruppe aktiv ist?

N. Wiegand: Eine relativ stabile und hohe Nachfrage nach unseren Produkten und Dienstleistungen sowie unsere langjährigen Beziehungen zu unseren Kunden haben dafür gesorgt, dass wir alle Produktionslinien in Betrieb lassen konnten und es so keinen Produktionsstillstand aufgrund von Corona gab. Vor allem der Umsatz im Lebensmitteleinzelhandel konnte gesteigert werden, während die Abnahmemengen von kleineren Winzern und Kellereien gesunken sind. Völlig eingebrochen ist das Geschäft mit Miniaturflaschen im Spirituosenbereich, da man dort auf bestimmte Events wie Fasching angewiesen ist.

O. Wiegand: Besonders auffällig war 2020 der allgemeine Rückgang um etwa 9 % des Wasser- und Softdrinkkonsums in Europa. Diese Auswirkungen bekamen wir besonders in unserem Geschäftsbereich PET deutlich zu spüren.

Welche Herausforderungen galt es dabei im abgelaufenen Geschäftsjahr zu meistern?

O. Wiegand: Eine Herausforderung lag in der Abwicklung von großen Projekten, an denen zahlreiche internationale Partner beteiligt waren. Die Verfügbarkeit von Material war eingeschränkt und der Koordinations- und Organisationsaufwand erhöhte sich deutlich, wodurch es schwieriger war, diese Projekte termingerecht abzuschließen.

N. Wiegand: Besonders hervorheben muss man allerdings an dieser Stelle, dass es uns trotz der Pandemielage gelungen ist, ein gutes Hygienemanagement im Unternehmen auf die Beine zu stellen. Mit einer betriebsinternen Kontaktnachverfolgung, einer schnellen Anschaffung von Masken und Corona-Selbsttests sowie einer regelmäßigen Abstimmung über notwendige Anpassungen haben wir früh die Sicherheit unserer Mitarbeiter gewährleistet. Dadurch hatten wir kaum Infektionsfälle in der Belegschaft und konnten den fortlaufenden Betrieb sicherstellen.

Tradition spielt in der Glasherstellung eine große Rolle. Dennoch ist die Branche verschiedensten Trends und gesetzlichen Regularien, insbesondere im Bereich der Ökologie, unterworfen. Welche sind das und wie reagieren Sie darauf?

O. Wiegand: Besonders im Auge haben wir natürlich den Klimaschutzplan der deutschen Bundesregierung, in dem unter anderem festgelegt wurde, die Treibhausgasemissionen bis 2045 auf netto Null zu reduzieren. Größter Emissionsfaktor sind unsere Schmelzwannen. Mit einer Wannenlaufzeit von 10 bis 12 Jahren und einer benötigten Planungszeit von etwa zwei Jahren, sind wir durch diesen langen Investitionszyklus von 12 bis 14 Jahren allerdings sehr unflexibel. Auf kurzfristige Änderungen von Gesetzen und Vorschriften der Politik und die damit verbundenen Anpassungen der Einsparungsziele für Deutschland können wir so nur schwer reagieren oder haben einen erheblichen zusätzlichen finanziellen und organisatorischen Aufwand. Dennoch wollen wir auch unseren Beitrag im Rahmen des Klimaschutzplanes leisten.

Wo sehen Sie persönlich die größten Risiken und Herausforderungen im Bereich der Ökologie?

N. Wiegand: Die größte Herausforderung in den nächsten Jahren stellt die Umstellung auf erneuerbare Energien dar. Besonders schwierig ist es dabei, den sich sehr dynamisch entwickelnden Forderungen der Politik nachzukommen, da man häufig mit heterogenen Zielstellungen von europäischer und deutscher Ebene konfrontiert ist. In der Rennsteigregion ist die Glasindustrie sehr dicht angesiedelt, wodurch ein hoher Strombedarf besteht. Ein Wegfall von fossilen Energieträgern würde den Bedarf an Strom nochmals um ein Vielfaches steigern. Die Grundlage für einen erfolgreichen Transformationsprozess bildet daher eine regenerative, regionale und mengenmäßig ausreichende Stromerzeugung. Wichtig ist außerdem eine stabile Infrastruktur für den Stromtransport sowie eine Liefersicherheit zu wettbewerbsfähigen Preisen. Wir benötigen bei unserer Produktion schließlich auch eine hohe Ausfallsicherheit, da wir nicht einfach einen Schalter umlegen und den Betrieb damit ausschalten können.

O. Wiegand: Wichtig für uns wird etwa der geplante Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Auf Deutschland als Exportweltmeister kommen bei einer Umsetzung Exportbarrieren zu, da dadurch die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen auf den Weltmärkten erheblich eingeschränkt wird. Der Klimaschutzplan wird alle Produkte und im Besonderen natürlich die energieintensiven Produkte stark verteuern. Die EU plant, auf importierte Güter, die nicht nach europäischen Umweltstandards hergestellt worden sind, eine CO2-Abgabe zu erheben, während wir für klimafreundlich in Deutschland produzierte Flaschen beim Export keine Gutschrift erhalten würden. Damit sind wir im außereuropäischen Export nicht mehr wettbewerbsfähig.

Das Risiko einer zu großen Einschränkung der Individualität einer Verpackung darf außerdem nicht vergessen werden. Jeder Kunde sollte ohne gesetzliche Vorgaben frei entscheiden können, welches Verpackungsdesign er haben möchte oder ob seine Verpackung eine 100 % recycelbare Einwegverpackung oder eine Mehrwegverpackung sein soll.

Die Mitarbeiter sind das Herzstück eines jeden Unternehmens. Welchen Beitrag können Ihre Mitarbeiter bei der Transformation zu einem noch nachhaltigeren Unternehmen leisten?

O. Wiegand: Für uns trägt jeder einzelne Mitarbeiter in seiner täglichen Arbeit dazu bei, diesen Weg mit uns zu gestalten. Dabei ist uns besonders wichtig, unsere Mitarbeiter in allen drei Geschäftsbereichen bei diesem Veränderungsprozess mitzunehmen. Neben der Verbesserung der Umweltleistung wollen wir das qualitativ hochwertige Produkt- und Dienstleistungsspektrum verbessern und die Qualität unserer Produkte permanent optimieren. Das sind die Prioritäten bei jeder Veränderung im Unternehmen.

N. Wiegand: Die Transformation hin zu einem noch nachhaltigeren Unternehmen kann man mit einer Reise ohne festes Reiseziel vergleichen. Auf dieser Reise sind wir als Unternehmen bereits sehr weit fortgeschritten. Die Ziele variieren allerdings ständig durch neu entstehende Herausforderungen. Deshalb ist es besonders wichtig, gemeinsam mit unseren Mitarbeitern die nötige Flexibilität aufzubringen, um auch die nächsten kleinen Wege auf unserer Reise erfolgreich zu absolvieren.

Wie schaffen Sie es, die Kompetenz und Motivation der Mitarbeiter hoch zu halten?

O. Wiegand: Letztendlich ist es immer eine Frage der Kommunikation und der Authentizität, wie man den Veränderungsprozess gestaltet. Wir sind deshalb stetig bemüht, unsere Mitarbeiter bei unseren Entscheidungen und Planungen einzubeziehen. Hierfür haben wir externe und interne Kommunikationskanäle geschaffen. Über unser Intranet kommunizieren die Mitarbeiter und veröffentlichen wichtige Informationen. An den Standorten informieren wir die Mitarbeiter über Informationsmonitore an den Eingängen. Durch unsere Mitarbeiterzeitung Glasnost oder das wöchentliche Dashboard verteilen wir die wichtigsten Kennzahlen und Neuigkeiten. Ein gut organisiertes Weiterbildungsmanagement und regelmäßige Mitarbeitergespräche sorgen dafür, dass wir die Stärken unserer Mitarbeiter weiterentwickeln und so in unsere Zukunft investieren.

Welche Rolle spielt die regionale Orientierung unserer Gruppe im unternehmerischen Handeln?

N. Wiegand: Wir sind als wichtiger Arbeitgeber in Thüringen und Bayern stark verwurzelt und fördern die Potentiale unserer Region. Mit der möglichen Errichtung eines Windkraftparks zum Ausbau der Stromversorgung kann man beispielsweise dazu beitragen, den Anteil von erneuerbaren Energien zu fördern. Das erfordert allerdings den gesellschaftlichen Konsens und den politischen Willen, so ein Projekt gemeinsam umzusetzen. Des Weiteren sind uns sowohl als Unternehmen, als auch privat die Menschen und Organisationen in der Region ans Herz gewachsen.

Abschließend noch ein Blick in die Zukunft. Wie wird sich die Unternehmensgruppe verändern und was sind Ihre nächsten Ziele in puncto Nachhaltigkeit?

O. Wiegand: Das Jahr 2030 stellt für uns als Unternehmensgruppe eine ganz besondere Herausforderung dar. Wir wollen bis dahin nicht nur unsere CO2-Emissionen deutlich gegenüber 2005 reduzieren, sondern uns auch in anderen Bereichen weiterentwickeln. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der weitgehenden Elektrifizierung bestimmter Fertigungsprozesse. Durch die Entwicklung und Nutzung von hybriden oder elektrischen Schmelzwannen tragen wir so einen erheblichen Teil zur Einsparung von Emissionen bei. Die interne Umstellung unseres Fuhrparks auf Elektroautos, wie auch der Warentransport per Bahn soll weiter ausgebaut werden, um die Straße als Emissionsort zu entlasten.

N. Wiegand: Generell ist uns wichtig, den Veränderungen und der Zukunft aufgeschlossen und positiv entgegenzublicken. Um den Unternehmenserfolg nachhaltig zu garantieren, ist es von großer Bedeutung, sich nicht auf eine Richtung zu versteifen. Wir wissen nicht, was in 10 Jahren ist und sind deshalb gespannt, wie unsere Reise als Unternehmen weiter verlaufen wird.

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